Mehr Umweltschutz für Ubstadt-Weiher – Streuobstwiesen: Naturvielfalt aus Menschenhand – Themenabend 25.09.2023

Am 25.09.2023 war es mal wieder so weit, wir durften dem nächsten interessanten und höchst informativen Themenabend beiwohnen. Zusammen mit rund zehn Interessierten erfuhren wir alles zum Thema „Streuobstwiesen“. Stefan Hock begrüßte hierzu Herrn Hans-Martin Flinspach, Vorsitzender der Streuobstinitiative im Stadt- und Landkreis Karlsruhe e.V.

Vorgeschichte

Traditionell entwickelten sich Streuobstwiesen bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Der eigentliche Sinn war es hierbei verschiedene Obstarten mit Hochstamm zu bewirtschaften und die darunter liegende Fläche als Acker zu nutzen. Das Ziel war zunächst die Selbstversorgung, man nutzte die Ernte für sich selbst oder als Viehfutter. Die Mahd wurde zudem verwertet. Durch die unterschiedliche Lebenserwartung der Baumarten und entsprechende Nachpflanzungen entwickelte sich so eine Altersstufung der Streuobstwiesen. Später wurden aus mehreren kleinen „Handtuchäckern“ mit geringer Fläche Gemeinschaftsobstanlagen, welche ihren Schwerpunkt auf den Marktobstbau legten. Entsprechend reduzierten sich die Streuobstflächen im Laufe der Zeit deutlich. Auch die Rentabilität durch Verwertungsobst fiel weg. Seit 1950 gingen die Bestände der Flächen um 2/3 zurück. Erschreckend hierbei auch die Ergebnisse der Baumzählungen 2005 und 2015 im Vergleich. Innerhalb von zehn Jahren dezimierte sich die Anzahl der Bäume von 9,3 Mio auf 7,1 Mio. 

Streuobstwiesen heute

Das heterogene Bild der Streuobstwiesen zeichnet sich neben den verschiedenen Höhen- und Artenstrukturen auch durch die unterschiedlichen Alterssichten der Bäume aus. Meist kann man diese an Ortsrändern wie auch auf unseren Gemarkungen, beispielsweise um Stettfeld, erkennen. Was nach „ein bisschen Wildnis“ aussieht ist aber nicht weniger pflegeintensiv. Es braucht entsprechende Versorgung der Flächen, um die Artenvielfalt, einer der der ökologischen Pluspunkte, von Streuobstwiesen zu sichern und die Biodiversität zu fördern. Nur lediglich 20% der Streuobstflächen werden derzeit entsprechend bewirtschaftet. Es komme zu einer schleichenden Entwertung der Bestände, die einstige Wertschätzung für Streuobst wurde deutlich weniger. Hier setzt die Arbeit der Streuobstinitiative an. Es gilt daran das Gut wieder aufzuwerten und die Tradition zu wahren.

Herr Flinspach klärte uns zudem über die Unterschiede von Streuobstwiesenbäume und niedrigwachsende Plantagenbäume auf. Letzteres ergebe zwar einen schnelleren Ertrag, sei hingegen nur kurzzeitig nutzbar. Aufgrund der Struktur sei eine Streuobstwiese als Dauerkultur entsprechend auf die Jahre gesehen ergiebiger und nachhaltiger. Sie „stellen die traditionell entwickelte Form des Obstbaus in unserer Kulturlandschaft dar“, so der Referent weiter. Insgesamt zeigte er die Funktionen des Streuobstbaus deutlich auf. Die Bewirtschaftung und Obstproduktion waren hier nur als Puzzleteil vom großen Ganzen zu sehen. Besonders die Bereiche Erholungslandschaft, Artenschutz und -vielfalt und Genreservoir sind, neben den weiteren positiven Aspekten, hervorzuheben. Das Landschaftsbild sei geprägt von Streuobstanlagen, es mache die Dimensionen von Landschaft erlebbar und biete Schutz und Heimat für verschiedene Lebewesen der unterschiedlichsten Arten. Der halboffene Charakter der Flächen sei beispielsweise Wohnraum von Steinkäuzen, welche in erfolgreichen Nachzuchtprojekten auch in unsere Nähe wieder beheimatet seien. Schädlinge, welche Plantagen und Obstanlagen redlich verwüsteten, träfen bei Streuobstwiesen auf ihre „Endgegner“, was es ermögliche, den Genpool resistenter Arten zu erhalten. Zudem biete die Mischung aus Totholz und Neupflanzungen verschiedenen Nutzraum, was mitunter zur Multiplikation der Artenvielfalt auf über 5000 Arten im Kontext Streuobstwiese führe. Insgesamt gäbe es 3000 unterschiedliche Apfelsorten in den Streuobstflächen, welche wichtig für künftige Züchtungen sind und wertvolle Erbinformationen in sich tragen. Derzeit werde hinsichtlich Streuobst im Klimawandel geforscht. Die Erhaltung des Sortenpools sei hierbei sehr wichtig. Wie auch Wälder stehen Streuobstwiesen unter besonderem, gesetzlichem Schutz. Änderungen und Eingriffe des Lebensraumes sind streng geschützt.

Streuobstinitiative

Die Aufgabenbereiche der Initiative liegen neben der Vermarktung von Obstprodukten wie verschiedenen Säften auch darin die Flächen zu versorgen und zu pflegen. Verträge mit Obstbauern sicherten diesen einen doppelten Marktpreis, was den Erhalt von Streuobsthabitaten sichere. Es bedürfe gewissem Know-Hows und Leidenschaft, um die Streuobstareale angemessen zu pflegen. Demnach biete die Initiative auch bestimmte Schnittkurse für Privatpersonen und kommuneneigene Bauhöfe an. Sie arbeite zudem mit Biozertifizierungen und trage sich finanziell neben der Vermarktung von Säften besonders über die ehrenamtliche Arbeit. Weitere Aufgabenbereiche seien zudem Baum- und Nisthilfeaktionen, ein Streuobsterlebnispfad in Sulzfeld, Förderprojekte für Mitgliedsgemeinden und mögliche Sammelbestellungen für bio Baumpflegemittel. Online stelle die Initiative zudem eine Plattform als Grundstücksbörse zur Verfügung. In den umliegenden Fachmärkten können Produkte der Initiative erworben werden.

Zusammenfassung und Abschluss

Auf die Fragen der Zuhörenden reagierte Herr Flinspach ausführlich und teilte sein umfassendes Wissen bereitwillig. Er nahm beispielsweise Stellung dazu, dass die Kennzeichnung „Selbstpfücker“ eine Entwertung der Obstbäume sei und die Pflege der entsprechenden Areale und Bäume hierdurch nicht gewährleistet werde. Zudem berichtete er von Projekten in Zaisenhausen, in welchen Patenschaften für Baumreihen übernommen werden könnten, die Mäharbeiten würden durch den dortigen Bauhof umgesetzt. Für unsere Kommune riet er Bestände pflegbar anzulegen und zur Sicherung der Feinwurzeln in einer Tiefe von 20-30 cm einen Drainageschlauch anzulegen. Zudem fördere das Hacken von Baumscheiben das Baumwachstum und generiere das meiste Dickenwachstum.

Wir danken dem Referenten für diesen sehr informativen Abend. Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der Initiative (https://streuobstinitiative.de/).