Interview mit Martina Keller nach einem Jahr als Gemeinderätin

„Schon ein Jahr im Amt!“ – das konnten unsere beiden Gemeinderätinnen Martina Keller und Celina Knierling, geb. Gorenflo,  am 02.07. sagen. Am 02.07.19 hatte die Sitzung des Gemeinderates stattgefunden, in der dessen neue Zusammensetzung „besiegelt“ wurde.

Wir nahmen den Jahrestag zum Anlass, den beiden ein paar Fragen zu stellen. Teil 1 des Interviews können Sie heute lesen:

Interview mit Gemeinderätin Martina Keller nach einem Jahr im Amt:

„Ein Jahr ist nun vergangen, seit Du im Amt der Gemeinderätin vereidigt wurdest. Ein Jahr, in dem sich vieles für Dich verändert hat.
> Was würdest du als die gravierendste Veränderung in Deinem Leben bezeichnen, seitdem Du als Gemeinderätin aktiv bist?“

Kaum zu glauben, dass seit der Wahl und der ersten Sitzung am 2.7. 2019 schon über ein Jahr vergangen ist. Im Kreise der erfahrenen Gemeinderätinnen und Gemeinderäte wurde ich offen aufgenommen und nun habe ich die Chance, die Entwicklung von Ubstadt-Weiher durch aktives Handeln und dem Einbringen eigener Ideen positiv mitzugestalten.
Die gravierendsten Veränderungen in meinem Leben im Zusammenhang mit diesem Amt besteht darin, dass mich die Bürgerinnen und Bürger nun zu Recht als Sprachrohr oder manchmal auch als „Kummerkasten“ für ihre Anliegen in der Gemeinde sehen und mich auf Missstände oder Wünsche ansprechen. Es gibt in unserer Gemeinde erfreulicherweise viele engagierte Menschen, die nicht durch reine Egoismen motiviert sind, sondern das Allgemeininteresse fördern wollen.
Ich selbst lerne Ubstadt-Weiher inzwischen aus einem ganz anderen Blickwinkel kennen, sammle wertvolle Erfahrungen und komme mit Leuten zusammen, die ich womöglich ohne dieses Amt nie kennengelernt hätte.
Mein Terminkalender beinhaltet seit dem letzten Jahr aufgrund der Sitzungen des Gemeinderates, den vorausgehenden Fraktionssitzungen und diverser Ausschüsse zwar mehr unverrückbare Termine, aber das war für mich nicht überraschend, und ich erfahre viel Verständnis in meinem persönlichen Umfeld.

„Ein Rückblick auf das letzte Jahr:
> Was war ein herausragendes Ereignis für Ubstadt-Weiher?“

Um diese Frage zu beantworten, muss ich zwischen der Zeit vor der Corona-Pandemie und der Zeit nach Ausbruch der Pandemie unterscheiden. Vor Corona war für mich als Stettfelderin die Einweihung des Haltepunktes Stettfeld-Weiher am 31.1.2020 das herausragende Ereignis, denn so ein Großprojekt ist einmalig und von historischer Bedeutung.
Seit Ausbruch der Corona-Pandemie beherrscht auch unsere Gemeinde dieses Thema mit allen damit verbundenen Facetten. Alle Veranstaltungen mussten abgesagt werden, so auch die Feierlichkeiten zum 50jährigen Bestehen von Ubstadt-Weiher und zur Festwoche anlässlich der 1250-Jahrfeier, auf die sich die Organisatoren schon jahrelang vorbereitet hatten. Das wären unvergessliche Highlights in diesem Jahr gewesen. Ein kleiner, wenn auch schwacher Trost mag sein, dass der am 14. Juni geplante Festumzug sehr unter dem Regenwetter gelitten hätte.

> „Gibt es Dinge, die Dir als Gemeinderätin schwerfallen?“

Ich bin jemand, der grundsätzlich für neue Ideen und kreative Lösungen offen ist – möglichst in zeitnaher Umsetzung. Die Mühlen in der Kommunalpolitik mahlen jedoch oft langsam, und manchmal erfordert es mehrere Anläufe, bis ein Vorhaben tatsächlich umgesetzt ist. Umso wichtiger ist es daher, einerseits nicht vorschnell aufzugeben, und andererseits eine gewisse Geduld aufzubringen oder auf ein günstiges Zeitfenster für eine Umsetzung zu warten – für mich zugegeben nicht immer einfach.
Die Arbeit im Gemeinderat zeigt, dass die Überregulierung bzw. die Aufgabenzuweisung an die Städte und Gemeinden durch Bund, Land und EU insoweit hemmende Faktoren sind, als dadurch kommunalpolitische Handlungsspielräume eingeschränkt werden, was sich durch die Corona-Pandemie noch verstärkt hat.

> „In welchen Themen hat sich die FWV im vergangenen Jahr erfolgreich für die Gemeinde ein- und durchgesetzt?

Die Freien Wähler haben stets ein offenes Ohr für die Ideen, Wünsche und Sorgen hinsichtlich aller Themen der Bürgerinnen und Bürger. Positionen unterstützen wir da, wo Verbesserungen zum Wohle der Gemeinde sinnvoll und machbar sind. Die Themen, für die wir uns einsetzen, sind vielfältig und reichen daher von A wie Anschaffungen, beispielsweise für die Feuerwehr, bis Z wie Zunahme der gesundheitskritischen Lärmbelastung im Straßenverkehr, der es entgegenzusteuern gilt.
Beim Thema Klimaschutz setzen wir uns im Kleinen wie im Großen verstärkt ein. Wir stellen uns die Fragen, was man zunächst selbst tun kann, um etwas zu bewirken und welches Konzept die Gemeinde verfolgen kann, um für die Zukunft umweltfreundlich und nachhaltig  gerüstet zu sein.
Bei alledem ist es uns wichtig, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger im direktem Austausch zu erfahren. In den Bürgergesprächen der FWV geben wir daher jedem die Gelegenheit seine Belange vorzubringen.
Gegen Widerstände können sich die Freien Wähler aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat bei den Beschlussvorschlägen nicht durchsetzen. Es ist unser Ziel, in sachorientierter Diskussion zu überzeugen und nicht etwa, um der Profilierung willen Durchsetzungskraft zu demonstrieren.

„Derzeit ist unser Alltag von der Corona-Pandemie geprägt.
> Was wird Deiner Meinung nach auf Ubstadt-Weiher und den Gemeinderat an schwierigen Aufgaben zukommen?“

Die Folgen der Pandemie sind insbesondere mit Blick auf die finanziellen Ausfälle immens, vor allem wegen der weggebrochenen Steuer- und Gebühreneinnahmen und werden den Gemeinderat daher noch lange beschäftigen. Dabei sind die finanziellen Auswirkungen noch gar nicht gänzlich abzusehen. Konjunktur- und Zukunftspakete des Bundes und des Landes sind zwar für den Anfang geschnürt, aber es wird wohl noch auf Jahre hin einer Unterstützung bedürfen.

> „Wirst Du oft von Mitbürgern angesprochen in deiner Rolle als Gemeinderätin?“

In der Tat ist das des Öfteren der Fall, nicht nur bei zufälligen Begegnungen beim Einkaufen, bei Veranstaltungen vor der Corona-Pandemie oder bei der Gartenarbeit, sondern es gibt auch Anrufe oder man klingelt bei einem Anliegen oder bei Fragen einfach mal an der Haustür. Ich finde das prima. Allerdings scheue ich es auch nicht, selbst das Gespräch zu suchen, um ein Meinungsbild von den Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu bekommen.

> „Bereust Du es, Gemeinderätin geworden zu sein?“

Ich bereue den Schritt in die Kommunalpolitik keineswegs. Die Themen in der Gemeinderatsarbeit sind vielfältig und die aktive Beteiligung an der Kommunalpolitik spannend. Wichtig dabei ist, dass im Gemeinderat viele Berufs- und Altersgruppen vertreten sind. Jeder hat seinen eigenen Blick auf ein Problem, die Gesamtheit macht den Erfolg aus.

> „Gibt es ein bestimmtes Thema, welches Du nach der ersten Zeit als Gemeinderätin als Dein Steckenpferd auserkoren hast?“

Generell versuche ich, eine Balance zu finden zwischen dem, was mich interessiert und antreibt, und dem, was machbar ist. Die Arbeit im Gemeinderat wird zunächst stark geprägt von der Tagesordnung der Gemeinderatssitzungen.
Die Aktualisierung des Lärmaktionsplanes, die ja alle 5 Jahre pflichtgemäß durchzuführen ist, ist derzeit in meinem Fokus. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass damit die Grundlage geschaffen wird, dass der Straßenverkehrslärm in Ubstadt-Weiher reduziert werden kann, etwa durch Geschwindigkeitsbeschränkungen. Diese sind allerdings nur wirkungsvoll, wenn eine engmaschige Kontrolle erfolgt. Da drückt bei vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern besonders der Schuh. Das Umweltproblem des Straßenverkehrslärms, verursacht durch zu schnelles Fahren oder durch Schwerlastverkehr trotz Verbots, ist ein Thema, das alle Ortsteile in Ubstadt-Weiher betrifft – daher ist das Thema auf meiner Agenda ganz oben. Gute Erfahrungen gibt es außerdem mit den neuen Radschutzstreifen in Ubstadt und Stettfeld. Bleibt abzuwarten, ob der Umbau der Fahrbahnen auch zu einer Reduzierung der Geschwindigkeitsüberschreitungen führt.
Klimawandel ist ein weiteres wichtiges Thema für mich.
Natur- und Wasserhaushalt sind durcheinander, ein „Weiter – So wie bisher“ geht nicht mehr, wenn wir nachfolgenden Generationen gute Lebensbedingungen erhalten wollen.
Im Rahmen des Entwicklungsprogramms Ländlicher Raum gibt es derzeit erhöhte Förderchancen für private, privat-gewerbliche oder der Grundversorgung dienende Vorhaben, soweit durch das Projekt das Klima geschützt wird und die natürlichen Lebensgrundlagen geschont werden. Jedoch bedarf es auch nach der Corona-Krise nachhaltiger Investitionsanreize.
Gerade öffentliche Gebäude sollten möglichst den Wärmebedarf und die Energieverbräuche aus regenerativen Energien nutzen. Gute Ansätze gibt es schon in der Gemeinde wie z.B. Bürgersolaranlagen auf den Dächern der Schulen in Ubstadt oder der Photovoltaikfreiflächenanlage zwischen Ubstadt und Weiher.

> „Vielen Dank für Deine Bereitschaft, die Fragen zu beantworten und weiterhin viel Freude und Erfolg in Deinem Amt!“