Bürgergespräch am 7. Juli 2008

Informationsfreiheitsgesetz

Wir halten es für wichtig, dass alle Bürger die gleichen Rechte haben, überall. Gerade auf lokaler Ebene, wo Entscheidungen der politischen Gremien und insbesondere der Verwaltung direkte Auswirkungen auf den Bürger haben, müssen diese auch endlich das Recht erhalten, sich umfassend über die Entscheidungswege informieren zu können.

Wir in Baden-Württemberg gehören zu den wenigen Bürgern in der OECD, denen dieses nach UNO-Deklaration benannte Menschenrecht durch die in unserem Bundesland herrschenden Parteien nicht zugestanden wird. Das ist skandalös und man darf fragen, warum nur? So dürfen Entscheidungen in den Amtsstuben weiterhin unter dem Stichwort „Amtsgeheimnis“ im Dunkeln bleiben. Eine Überprüfung durch den Souverän Bürger kann nicht ohne weiteres stattfinden – ein Nährboden für Amtsmissbrauch und Korruption. Der Vortrag von Michael Koch, den er zusammen mit Jonathan Kurz recherchiert hat, beleuchtet das Thema und seine Hintergründe und stellt zudem Transparency International Deutschland vor, die Koalition gegen Korruption.

Vortrag zum Thema Informationsfreiheitsgesetz und Transparency Deutschland
Für Montag, den 7.Juli 2008, Bürgergespräch der Freien Wählervereinigung Ubstadt-Weiher e.V.
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Herzlich Willkommen!
Auf Einladung der Freien Wähler Ubstadt-Weiher e.V. und mit Hilfe von Transparency Deutschland:
Informationsfreiheitsgesetze und Korruptionsbekämpfung
in Deutschland und speziell Baden-Württemberg
Angesprochen werden vor allem
–  Der generelle Handlungsbedarf gegen Korruption und Amtsmissbrauch
– Die gesetzliche Lage auf Bund- und Landesebene, sowie das Völkerrechtliche
– Organisation und Arbeit eines Vorzugspartners in diesem Zusammenhang: Transparency Deutschland
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[…]Frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht […]
Auszug aus der Präambel der Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft.
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Schutz vor dem Staate und einer übermächtig gewordenen öffentlichen Hand ist allgegenwärtig in moderner Geschichte und von der Revolution der amerikanischen Kolonien bis zum Fall der Berliner Mauer. Auch in Zeiten von Terrorangst und übermäßiger Verantwortungsabgabe an staatliche Stellen müssen die Bürger der freien Welt stets neu um Freiheit kämpfen. Zwar sind die Mittel andere als in den Jahrhunderten blutiger Revolutionen, aber umso mehr ist unsere wache Aufmerksamkeit gefragt, wenn es um den Schutz unserer Rechte und Freiheiten im und gegen den Staat geht. Auf dem Spiel steht in Europa und Deutschland nicht das körperliche Wohlergehen der Bürger oder unsere Freiheit von absoluter Herrschaft, sondern das Recht auf Information über die Handlungen und Beweggründe unserer öffentlichen Vertreter und die Freiheit von Korruption und Amtsmissbrauch.
Es handelt sich keineswegs um Luxusgesetze, die dem Bürger ein wenig mehr Freiheit auf Kosten von bedeutend erhöhtem Verwaltungsaufwand oder bedrohtem Amtsgeheimnis verschaffen. Genauso wenig geht es um paranoide Bürgerrechtler oder Staatsfeindlichkeit. Es handelt sich um ein elementares Grundrecht demokratischer Regierungsformen, das von der UNO seit 1976 im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, von der europäischen Menschenrechtskonvention aus dem Jahre 1950 und auf Bundesebene leider erst seit 2006 garantiert wird, das aber in Baden-Württemberg nach wie vor nicht anerkannt ist.
In einer kurzen Überblicksdarstellung möchte ich den völker- und bundesrechtlichen Hintergrund darstellen, außerdem die Notwendigkeit und den Nutzen eines auch im Land geltenden Informationsfreiheitsgesetzes erläutern. Im Anschluss wird die Lage in Baden-Württemberg Thema sein und zuletzt die Bemühungen von Transparency Deutschland, einer Nichtregierungsorganisation, die sich weltweit für Transparenz in Verwaltung und Wirtschaft und gegen Korruption und verantwortungsloses Handeln einsetzt.
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I          Korruption in Staat und Verwaltung, Amtsgeheimnis und Amtsmissbrauch
Informationsfreiheitsgesetze verpflichten den Staat und jede Verwaltungsebene , auf Anfrage der Bürger Unterlagen über amtliche Entscheidungen und Verfahren preiszugeben. Sie dienen der Transparenz, der Akzeptanz und der Effizienz staatlichen Handelns. Denn ohne derartige Bestimmungen nehmen Korruption und Filz leicht Überhand, vor allem bei den sehr arkanen Vorgehensweisen und dem bewusst gepflegten Amtsgeheimnis in Deutschland. Die starke Wortwahl im Titel ist sehr bewusst, denn Korruption ist nicht nur sehr weit verbreitet, sondern nimmt auch zahllose Formen an und ist keineswegs auf Übergabe von großen Geldsummen in dunklen Ecken beschränkt und sicher nicht auf andere Länder der Welt.
Die Definition von Korruption laut Transparency Deutschland ist „Der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil“.
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Laut Kofi Annan, der während seiner Amtszeit als Generalsekretär die Ratifizierung einer expliziten UN Konvention gegen Korruption vorangetrieben hat (die hat Deutschland übrigens auch nocht nicht ratifiziert, wegen Lücken in der Strafverfolgung von Gewählten), sind die schädlichen Auswirkungen von Korruption gewaltig: Sie untergräbt Demokratie und den Rechtsstaat, sie beeinträchtigt den Markt und Wirtschaftswachstum und sie schafft oder verstärkt soziale Ungerechtigkeiten.
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Wir möchten uns heute auf das Handeln und die Verfahren der öffentlichen Hand und damit verbundene Beschneidung bürgerlicher Rechte und Freiheiten konzentrieren, denn dort sind die Gefahren am größten (à Verweis auf PPT). In diesem Zusammenhang sicherte das Amtsgeheimnis und die unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor sich gehende Verwaltungsarbeit in Bund und Ländern alle Beamten vor Konsequenzen möglichen Fehlverhaltens ab, mit Ausnahme der oft schlampig und widerwillig geführten behördeninternen Ermittlungen. Mindestens fünf Formen von Korruption der öffentlichen Hand und Amtsmissbrauch sind zu nennen: Die Käuflichkeit politischer Entscheidungen und die ihr verwandte illegale Parteifinanzierung, Gelegenheitskorruption im alltäglichen Verkehr mit der Verwaltung, zum Beispiel um einem Bußgeld zu entgehen, und die häufig vorkommende Genehmigungskorruption sowie die ihr verwandte Ausschreibungskorruption. Letztere sind besonders schwerwiegend, da sie in Verwaltungen erfolgen, die hohe Auftragsvolumen vergeben und undurchsichtigen Prozeduren folgen.
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Neben den vielen ökonomischen und ökologischen Folgen sind die sozialen und politischen Konsequenzen also immens, weil Demokratie in Gefahr gerät: Politische, soziale und wirtschaftliche Rechte werden bedroht, es folgen Vertrauensverlust in der Bevölkerung, Rechtsunsicherheit und ein Legitimitätsverlust der staatlichen Ordnung, die zusammen mit Politikverdruss die Lebensfähigkeit und Funktionsfähigkeit von Gesellschaft und Staat untergräbt.
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So welkt Demokratie dahin…
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II         Informationsfreiheitsgesetze – wichtige Schritte zur Vorbeugung und Lösung von Korruptions- und Amtsmissbrauchsproblemen
Ein Informationsfreiheitgesetz würde bedeuten,
dass in Zukunft nicht mehr das Amtsgeheimnis, sondern der freie Zugang zu Verwaltungsakten und -entscheidungen die Regel wäre und
dass nicht mehr der Bürger die Freigabe, sondern das Amt die Zurückhaltung der Informationen durch besondere Umstände rechtfertigen müsste.
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Die Konsequenz ist höchst einleuchtend: Sobald den Beamten und Gewählten klar wird, dass der interessierte und unter Umständen geprellte oder benachteiligte Bürger bzw. Unternehmer Zugang hat, werden unlautere Regulierung, Auftragsvergabe, Genehmigungsvergabe und andere Unregelmäßigkeiten, die Aktenspuren hinterlassen, weniger werden, weil ihre relativen Kosten bedeutend steigen werden, durch die gesunden Konsequenzen von bürgerlicher und journalistischer Neugier. Dies entspricht anderen Transparenzmaßnahmen wie z.B. der kürzlich im Bundestag erfolgten Regelung zur Offenlegung von Nebeneinkommen, die zum Ziel haben, die anfälligen Regierungs- und Parlamentsapparate von Korruption zu befreien.
Das Prinzip eines derartigen Gesetzes ist, dass jeder Bürger auf Anfrage in alle Akten der verschiedenen Verwaltungen Einsicht erhalten kann und nicht mehr ein Sonderinteresse rechtfertigen oder eine Sondergenehmigung erhalten muss. Die Arbeit von Anwälten und Journalisten, im Auftrag der Öffentlichkeit, würde dabei viel gewinnen und dem Schutz der Freiheit dienen. Dies sollte uns schon lange bewusst sein: Schon im 19. Jahrhundert schrieb der deutsche Anwalt Carl Gustav Jochmann in Riga, dass die Öffentlichkeit Bedingung der Freiheit wie des Rechts ist und dass sie die Verbündete jedes schwächeren Teils der Gesellschaft und jeden bedrohten Rechts sei. Darum geht es und deswegen brauchen wir das Informationsfreiheitsgesetz in Baden Württemberg und eine nachdrücklichere Ausführung auf Bundesebene, denn dort ist vieles nur formell gewährt, während in der Praxis die Ausnahmen zu zahlreich sind. Auch sehr problematisch ist, dass die bloße Einsicht der Akten oft relativ unkompliziert ist, dass aber die Kopie und Arbeit mit den Unterlagen für Zwecke der Strafverfolgung oder Öffentlichkeitsarbeit extrem teuer werden und mit mehr Behinderungen gerechnet werden kann. Beispiele hierfür gibt es en masse!
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Dabei sind die Einwände gegen Informationsfreiheitgesetze, die oft vorgebracht werden, kaum durch Fakten zu belegen und entspringen wohl eher dem Wunsch, als Gewählter und Beamter arbeiten zu können wie bisher. Oft genannt wird der angeblich deutlich erhöhte Verwaltungsaufwand, den ein Ansturm von übereifrigen Bürgern nach sich ziehen würde und die damit verbundenen Kosten, wo doch gerade überall von Deregulierung und Verfahrensbeschleunigung geredet wird. Außerdem fürchten sich einige, vor allem in der baden-württembergischen CDU, vor Missbrauch durch Extremisten und Kriminelle. Die Furcht vor mehr Bürokratie hat sich in den Bundesländern, die ein derartiges Gesetz haben, und beim Bund, als unbegründet erwiesen. Die Zahl der geforderten Akteneinsichten hält sich in Grenzen, auch aufgrund bürgerunfreundlicher Prozeduren und oft ungerechtfertigter Ausnahmeregelungen, und die meisten der Interessierten sind verantwortungsvolle Bürger und Journalisten, die wichtigen Aufgaben nachgehen und keinen Missbrauch treiben.
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Die Tatsache, dass die gesamte OSZE und alle hoch entwickelten Demokratien der Welt ein derartiges Gesetz, teilweise seit Jahren, verabschiedet haben und damit arbeiten, deutet darauf hin, dass die Nachteile nicht so gravierend sein können.
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Das ergibt auch eine Analyse der Lage in den acht (8) Bundesländern, die bereits ein Informationsfreiheitsgesetz haben, sowie auf Bundesebene. So spricht beispielsweise der nordrhein-westfälische Evaluierungsbericht zum entsprechenden Gesetz von „verantwortungsbewussten Umgang der Bürger mit ihrem neuen Recht“. Andere Einzelfälle aus anderen Bundesländern und den USA zeigen dies ebenfalls: Viele Information zum Irakkrieg und auch recht unerfreuliche Details aus Bushs Amtszeit als Gouverneur zum Beispiel (er verbrachte bloß 10-15 Minuten mit dem Studium der Akten von Todeskandidaten) gelangten an die Öffentlichkeit und damit in die demokratische Sphäre, weil sie ganz legal über den dortigen Freedom of Information Act an Journalisten ausgegeben werden.
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Schattenseiten gibt es aber trotzdem: So haben zum Beispiel finnische Journalisten, die seit Jahren diese Freiheiten genießen, die Angewohnheit, in nachrichtenarmen Zeiten alle möglichen und unmöglichen Details aus dem Leben und Wirken von Bürgern und Funktionären preiszugeben, wie die Gehälter bekannter Persönlichkeiten oder die Informationen aus den Fahrtenbüchern der Dienstwagen hoher Beamter. Es gibt durchaus Konflikte zwischen Datenschutz und dem Recht auf Privatsphäre einerseits und dem Recht auf Informationsfreiheit andererseits, was auch die personelle Einheit von Datenschutz- und Informationsfreiheitsbeauftragtem in Deutschland zu einer delikaten Angelegenheit macht. Es geht jedoch immer um ein feines Gleichgewicht zwischen Schutz des Beamten oder Gewählten und Schutz der Bürgerrechte und dieses ist sicher besser mit einem Informationsfreiheitsgesetz und genau definierten Einschränkungen des Aktenzugangs bei Fragen der Sicherheit und Staatshoheit zu gewährleisten, als mit einem absolut geltenden Amtsgeheimnis als Standardregelung.
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Transparenz, Schutz vor Korruption der öffentlichen Hand und Pflege der demokratischen Grundprinzipien, gemeinsam mit kaum feststellbarer Erhöhung des Verwaltungsaufwand und kontrollierbarem Risiko von Missbrauch machen ein Informationsfreiheitsgesetz zu einem Muss für die größte Demokratie Europas, in allen Bundesländern und auf Bundesebene.
Und nicht nur für uns.
–          1976 trat der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte in Kraft, der die Informationsfreiheit, besonders im Hinblick auf Verwaltungshandeln, ausdrücklich festschreibt. Eine Nichtfolgeleistung entspricht einer Völkerrechtsverletzung.
–          Genauso unregelmäßig ist die fehlende gesetzliche Regelung im Hinblick auf die europäische Menschenrechtskonvention, deren Gerichtshof in einem Fall gegen Tschechien klar zu Gunsten des Klägers und im Sinne einer Informationsfreiheit im Hinblick auf Verwaltungshandeln entschieden hat.
–          Außerdem hat der Europarat seit 1981 mehrmals und zuletzt 2002 eine ganz ausdrückliche Aufforderung an alle Mitgliedsstaaten gerichtet, entsprechende Maßnahmen in Angriff zu nehmen oder weiterzuführen. Deutschland wird in diesem Zusammenhang beobachtet, und innerhalb Deutschlands vor allem diejenigen Bundesländer, deren Regierungen Informationsfreiheit nicht für nötig halten.
–          Die UN und OSZE bestätigten in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004, dass die Informationsfreiheit ein Menschenrecht ist:
„The right to access information held by public authorities is a fundamental human right which should be given effect at the national level through comprehensive legislation (for example Freedom of Information Acts) based on the principle of maximum disclosure, establishing a presumption that all information is accessible subject only to a narrow system of exceptions.“
Die Formel „maximum disclosure“ meint eindeutig, dass Zugang zu allen Informationen dieser Art die Regel und Nicht-Zugang die vom Staat im Einzelnen zu begründende Ausnahme ist. Baden-Württemberg folgt dem nicht, es ist Zeit zu handeln und diesen bedauernswerten Zustand zu ändern
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III       Zögern auf Bundesebene und Blockade in Baden-Württemberg
Die Umsetzung hapert, wie gesagt, in Deutschland und bisher haben nur die bevölkerungsarmen Bundesländer und Nordrhein-Westfalen die notwendigen Schritte getan, damit neben dem Bundesniveau auch im Land Zugang geschaffen wird. Dabei sind die Entscheidungen der Landtage und lokalen Verwaltungen bedeutend interessanter und zumeist wichtiger für den interessierten Bürger und den Betrug witternden Unternehmer. Im Unterschied zu vielen Staaten Europas, wo eine einzige, nationale Bestimmung für sämtliche Verwaltungen bindend ist, zieht das föderale System Deutschlands eine Aufsplitterung der Datenschutz- und Informationsfreiheitskompetenzen nach sich. Der Bundestag konnte in 2006 nur Bundesministerien und vom Bund finanzierte und betriebene Behörden auf demokratische Standards festlegen. Der weitaus größte Teil von Amtshandlungen und vor allem der für die Bürger relevantere Teil bei lokalen Entscheidungen geschieht jedoch im Land und damit, in Baden-Württemberg, nach wie vor hinter verschlossenen Türen.
Im Bundesgebiet ist die Stuttgarter Landesregierung nicht der einzige Ausscherer, aber damit gehören wir einer nicht sehr illustren Gruppe von unterprivilegierten Bürgern an, die als einzige in Europa (!) keinen Zugang zu den Unterlagen der laut Demokratietheorie von uns selbst beauftragten Beamten haben.
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Dabei kam die Idee schon mehrmals zur Sprache, in Presse und Landtag. Beispiel waren andere Länder, von denen Brandenburg als erstes 1998 ein Informationsfreiheitsgesetz verabschiedete, woraufhin Berlin und andere, kleinere Länder folgten. Nach der bundesdeutschen Regelung, die übrigens aufgrund ihrer vielen Ausnahmen und bisher nur 60% gewährten Anträgen auf Aktenoffenlegung kein Vorbild sein kann, folgten vier weitere Länder seit Januar 2006. Entsprechend dieser Bemühungen kam der erste Vorstoß im Landtag Baden-Württembergs in 2000, wobei es sicherlich kein Ruhmesblatt ist, dass die Republikaner hier als Vorreiter gelten dürfen, da sie damals den Antrag eingebracht hatten. In 2005 erfolgte dann ein seriöser Vorstoß der Grünen/B’90, den die CDU jedoch umgehend ablehnte, aus den oben genannten Gründen wie Furcht vor Missbrauch durch Extremisten und Kriminelle. Der Koalitionspartner FDP hatte damals schon generelle Zustimmung zu einer derartigen Gesetzesvorlage signalisiert, aber wohl aus Rücksicht auf den Partner vor den Landtagswahlen 2006 das Ganze nicht forciert. Auf Bundesniveau jedoch hatte die FDP gegen den Widerstand von CDU und CSU dafür Sorge getragen, dass die Regelung von 2006 erfolgreich den Bundesrat passieren konnte, obwohl der Gesetzesentwurf ein Entwurf der zweiten Regierung Schröder und damit Rot-Grün war. Während die Liberalen also auf Bundesebene zu ihren Überzeugungen standen und ihr angekratztes Image als Bürgerrechtspartei wieder aufleben ließen, fehlte es der Landtagsfraktion an Mut, den Koalitionspartner zum Umdenken zu bewegen und noch weniger waren sie gewillt, eine richtige Entscheidung auch gegen den Willen der CDU durchzusetzen. Sprecher der Landtagsfraktion gaben folgende Begründung: „zum Ende der Legislaturperiode sei nicht mehr genügend Zeit, um alle Betroffenen einzubeziehen und ein Gesetz sorgfältig zu beraten; in der nächsten Periode müsse es jedoch beschlossen werden.“
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Jetzt wäre also Gelegenheit, den Worten Taten folgen zu lassen. Die Grünen bereiten in der Tat laut Pressequellen einen neuen Vorstoß zum Thema vor, die Stimmen der SPD sind ihnen sicher. Die CDU jedoch sträubt sich jedoch weiterhin; bestreitet, dass sich die Lage geändert hat und besteht auf einer Ablehnung jeglicher Pläne in der Koalition und auf auch der Ablehnung eines Oppositionsvorstoßes. Das stößt auf Unverständnis im Landtag. Der Ulmer Anwalt und Abgeordnete Oelmayer sagte der Stuttgarter Zeitung: “Auch in Baden-Württemberg ist die Zeit reif für ein Informationsfreiheitsgesetz. Die Praxis im Bund und anderen Bundesländern zeige, dass die Regeln entgegen häufiger Prophezeiungen bei den Verwaltungen zu keinen nennenswerten Mehrbelastungen geführt haben“. Die Bürger nutzten ihr neues Recht rege, gingen jedoch verantwortungsvoll damit um, bilanziert Oelmayer. Nachdem sogar die CDU-Alleinregierung im Saarland mit den Stimmen der Grünen ein solches Gesetz verabschiedet habe, müsse auch Baden-Württemberg “endlich erkennen, dass der Bedarf an Transparenz in der Bevölkerung groß ist”.
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Die Maßnahme stand auch im FDP Wahlkampfprogramm 2006, aber im Koalitionsvertrag ist davon dann nichts mehr übrig. Die FDP-Landesvorsitzende Birgit Homburger reagierte auf einen erneuten Vorstoß der Grünen im laufenden Jahr und sagte, die Liberalen seien zwar dafür, aber mit dem großen Regierungspartner CDU sei so ein Gesetz nicht zu machen. “So einfach ist die Welt“, war ihr Kommentar und mehr braucht man dazu anscheinend nicht zu sagen. Kein Wunder, dass moderne Parteipolitik Verdrossenheit provoziert. Es liegt also am Bürger und seinen außerparteilichen Interessensverbänden, eine Neuregelung zu erzwingen. Für heute muss es um das Erstreiten von Rechten gehen und wenn das geschafft ist, müssen wir unsere Rechte auch sinnvoll ausüben, denn wie schon die Schweizer Eidgenossen wusste, muss Freiheit gelebt werden, sonst geht sie verloren.
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IV       Transparency Deutschland – Partner im Kampf für Bürgerrechte
Ein wichtiger Partner beim Kampf für und beim produktiven und sinnvollen Ausüben von Bürgerrechten im Bereich Korruptionsbekämpfung und Transparenz ist Transparency International und deren deutsche Abteilung Transparency Deutschland. Transparency International ist eine große, Berlin-basierte und international tätige Nichtregierungsorganisation, die sich der Transparenz in Wirtschaft und Politik verschrieben hat und umfassende Dokumentation und Beratung bereitstellt, um diesen Zielen nachzugehen.
Transparency International und die deutsche Abteilung wurden vor genau 15 Jahren von Peter Eigen gegründet, einem ehemaligen Weltbankdirektor, der aus nächster Nähe erleben konnte, wie Korruption in Politik und Wirtschaft die Bemühungen um Wachstum und ein Entkommen aus der Armutsfalle der dritten Welt immer wieder zunichte machte. Korruption schafft nicht nur Politikverdrossenheit und Instabilität in Staat und Politik, sie verzerrt auch den Wettbewerb und dämpft Wachstum, durch das Umlenken von Geld- und Ressourcenströme in Fässer ohne Boden. Außerdem wirkt sie wie eine regressive Extrabelastung zu Ungunsten der Armen und fördert damit soziale Brüche und Konflikte in der Gesellschaft. Dabei sind Geber wie Empfänger Opfer und insgesamt war auch die erste Welt Opfer ihrer eigenen Praxis im Umgang mit der dritten Welt. Außerdem kam immer mehr von den vielen Problemen und Unregelmäßigkeiten innerhalb der reichen Industrienationen zutage.
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Im Kampf gegen Korruption setzt Transparency auf Information und auf Koalitionen, statt auf Konfrontation und Anprangerung. Parteipolitisch neutral entwickeln sie Konzepte und Methoden zur Analyse, Vorbeugung und Bekämpfung von Korruption und Amtsmissbrauch und bemühen sich in erster Linie um Aufklärung und ein Netzwerk von Verbündeten in Industrie, Politik und Zivilgesellschaft. Gemeinsame Ziel einer demokratischen und marktwirtschaftlichen Ordnung zum Wohle aller Beteiligten soll auch von allen gefördert und gefordert werden. Die Finanzierung erfolgt dabei ausschließlich über Spenden und Mitgliederbeiträge der privaten und korporierten Kunden.
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In jährlichen Berichten und ansonsten zeitgerechten Pressemitteilungen und Schriften werden Probleme und Folgen von Korruption angeprangert, wie zum Beispiel in 2008 die katastrophalen Folgen für die Wasserversorgung von Abermillionen Menschen in der dritten Welt. Themen wie Corporate Governance und die Verantwortlichkeit der Unternehmen beim Vorbeugen und Ausmerzen von Korruption und natürlich Korruption der öffentlichen Hand sind im Mittelpunkt des Interesses von Transparency International. Denn so wie Korruption überall ist, muss auch der Kampf dagegen überall geführt werden. Das fängt bei Sensibilisierung an und schließt auch kritische Selbstbefragung und die Teilnahme am globalen Netzwerk von Politikern, Unternehmern und Bürgern ein, die sich alle für das gleiche Ziel einsetzen, weil es alles dient.